Lange Zeit galt das Fernsehen als das führende Leitmedium in der Welt. Erstmals zeigte es Bilder aus anderen Teilen der Erde, informierte zu politischen Ereignissen, und die Aufnahmen der Mondlandung versetzten die Menschheit in Erstaunen. Inzwischen hat das Internet dem Fernsehen kräftig den Rang abgelaufen. Auch weil Angebote wie das Videoportal YouTube die Einbahnstraße des reinen Konsumierens aufgehoben haben und erlauben, selbst aktiv zu werden, um eigene Aufnahmen hochzuladen. Dennoch: Das Fernsehen hat längst nicht ausgedient. Weder bei Erwachsenen, noch bei Kindern.
Vorbildsein ist ein schwieriges Thema, denn wir Erwachsene haben zum Fernsehen ein gespaltenes Verhältnis. Auf der einen Seite schauen wir alle fern, aber wir können es nicht freimütig zugeben. Denn Fernsehen hat immer noch etwas Verpöntes. Vielleicht weil es uns bereits in der Kindheit von den eigenen Eltern so vermittelt wurde. Das wirkt jedenfalls bis heute nach, wenn wir unsere Kinder zu diesem Thema erziehen.
Oft denken wir, dass es für Kinder nicht so wichtig sei, wenn sie eine Sendung mal verpassen. Gleichzeitig bekommen sie aber schon mit, dass zum Beispiel am Sonntagabend besonders hurtig zu Abend gegessen wird und sie rasch zu Bett gehen sollen – weil der „Tatort“ läuft.
Durch die Wände der Wohnung dringt außerdem Abend für Abend die laute Geräuschkulisse des Fernsehens. Kinder bekommen sogar mit, dass es auch uns Erwachsenen schwerfällt, nach dem Ende einer Sendung auszuschalten.
Auch wenn wir wissen, dass Kinder uns nachahmen, ist es nicht leicht, ein gutes Vorbild beim Thema Fernsehen abzugeben.
Wenn wir heute vom „Fernsehen“ reden, meinen wir damit nicht länger, im Wohnzimmer vor dem klassischen Fernsehapparat zu sitzen. Vielmehr wird auch am Computer, auf dem Tablet oder Handy geschaut. Das ist einerseits sehr praktisch, weil sich somit die unterschiedlichen Seh-Interessen der Familie nicht ins Gehege kommen. Es hat aber auch eine problematische Seite: Kinder können sich mit Hilfe der Mobilgeräte gut entziehen. Früher wurde unter der Bettdecke mit Taschenlampe gelesen, heute leuchtet dort das Smartphone. Ein weiterer Grund, warum Mobilgeräte abends besser nicht im Kinderzimmer verbleiben sollten.
Viele Jahrzehnte lang hat das Fernsehen ein festes Zeitdiktat vorgegeben. Vor dem Handy- und Internetzeitalter hatte das gewisse Vorteile. Eltern wussten, dass ihre Kinder spätestens zu den Uhrzeiten ihrer Lieblingsfernsehsendungen wieder zu Hause sein würden. Doch Fernsehen ist heute nicht mehr alleine das Angebot der öffentlich-rechtlichen Programme oder der Privatsender. Heute gibt es auch eine ganze Menge Streamingdienste, die um die Abo-Gunst ihrer Kund*innen buhlen. Sie haben nicht nur das Zeitdiktat aufgehoben, sondern auch dafür gesorgt, dass die Mediatheken des Oldschool-Fernsehens ordentlich Auftrieb erhielten. ARD und ZDF haben sogar den Onlinesender FUNK für Jugendliche zwischen 14 und 29 Jahren gegründet, da die Jugend ins Netz abwandert.
Mit Streamingdiensten und Mediatheken können wir dann schauen, wenn wir auch tatsächlich Zeit dazu haben. Ganz gleich, ob das die „Tagesschau“ oder „James Bond“ betrifft. Das entstresst. Auch die Auswahl an Filmen, Dokumentationen und Serien ist erstaunlich groß. Während früher verzweifelt durch alle Kanäle gezappt wurde, kommt es jetzt allerdings vor, dass wir bei Streamingdiensten nach einer halben Stunde der erfolglosen Suche entnervt aufgeben. Eine neue Konkurrenz für die Öffentlich-Rechtlichen sind übrigens die Nachrichtenhäuser wie Springer mit BILD-TV oder Bertelsmann, die RTL und Gruner & Jahr („Stern“) enger verzahnt haben.
Kinder und Jugendliche schauen aus ähnlichen Motiven wie Erwachsene:
Wie schon zu unserer eigenen Schulzeit unterhalten sich Kinder und Jugendliche am nächsten Tag mit ihren Freund*innen über Filmen und Serien. Das verbindet ungemein und stärkt die gemeinsame Zugehörigkeit.
Auch wenn sich rasante und actiongeladene Szenen auf dem Bildschirm abspielen, so sind sich Kinder immer bewusst, in Sicherheit zu sein. Es geht ihnen gut, mag es den Helden oder die Heldin gerade auch noch so schwer beuteln.
Kinder und Jugendliche nehmen aus Filmen und Serien noch etwas anderes mit als reine Unterhaltung. Sie schauen genau hin, wie die Personen darin mit Konflikten umgehen oder sie lösen. Dieser Faktor wird von Erwachsenen gerne unterschätzt.
Das Medium Fernsehen steht immer unter dem Generalverdacht, faul, apathisch und dumm zu machen. Dennoch sollten die Chancen nicht unerwähnt bleiben. In der Kindheit gibt es drei große Wissensvermittler: die Familie, die Schule und die Bildschirmmedien wie Fernsehen und Internet. Nach wie vor bietet das Kinderfernsehen sehr viele Wissenssendungen, die sich mit der Tierwelt, der Natur, der Technik, der Gesellschaft, der Wissenschaft oder dem Alltag auseinandersetzen. Komplexe Dinge werden anschaulich, verständlich und nachvollziehbar dargestellt. Insofern kann das Fernsehen Bildung vermitteln. Allerdings oft nach dem Zufallsprinzip – und zur Vertiefung sind dann wieder wir Eltern gefragt, wenn wir bestimmte Aspekte in Nachschlagewerken überprüfen oder mit den Kindern in der Stadtbibliothek Bücher zum Thema ausleihen. Gezielte Erklärfilme finden wir wiederum bei YouTube, der Videoplattform.
Dem Nachwuchs ergeht es heute vor der Mattscheibe genauso wie uns zu unserer Kinderzeit: Die Kinder tauchen so tief in das Geschehen ein, dass ihnen dabei jegliches Zeitgefühl abhandenkommt. Darum ist es auch zu viel verlangt, wenn sie nach einer halben Stunde von selbst das Gerät ausschalten sollen. Das funktionierte schon bei uns damals nicht. Und ob klassisches Fernsehen, YouTube oder Streamingdienste: Es läuft einfach immer etwas oder durch die Autoplay-Funktion startet einfach automatisch die nächste Folge. Kleiner Tipp: Es ist ratsam, Autoplay zu deaktivieren.
Bei ganz jungen Kindern ist es wichtig, dass sich Eltern dazusetzen. So können Sie sehen, welche Wirkung der gezeigte Beitrag auf das Kind hat. Natürlich ist das im Alltag auf Dauer nicht sehr realistisch. Wenn Sie ein junges Kind vor dem Fernseher alleine lassen, sollten Sie genau drauf achten, was es sieht, und in Rufnähe bleiben.
Ja, das stimmt. Manche Kinderpsycholog*innen bezeichnen Fernsehen für Kinder unter drei Jahren als unverantwortlich, weil sie aus entwicklungspsycholgischer Sicht die ungebremste Flut an Bildern und Worten nicht ordnen können. Das ist richtig. Nur müssen wir auch realistisch sein: Sobald es in der Familie weitere Geschwister gibt, wird es schwierig, sich an dieses Gebot zu halten. Wenn der Fünfjährige etwas schaut, ist es sehr schwer, die Zweieinhalbjährige fernzuhalten.
Früher wurde mit dem Begriff Fernsehen das Schauen vor dem Fernsehgerät gemeint. Aber heute ist das ein übergeordneter Begriff. Denn wir schauen auch am Computer, Tablet und Smartphones Filme. Im Internet kommen noch Videodienste wie YouTube oder Vimeo hinzu. Die klassischen Fernsehsender wie etwa ARD oder ZDF stellen für eine bestimmte Zeit einen Teil ihrer Beiträge in Mediatheken.